ihr könnt die untenstehenden Forderungen für ein kreatives, solidarisches, neutrales Sommersemester 2020 im offenen Brief an den Präsidenten der Bauhaus-Universität Prof. Dr. Speitkamp unterstützen,»> indem ihr in diesem Pad mitzeichnet. «<
Passt auf euch auf, Pol.B
»> für mehr Infos zu Solidarsemester auf Bundesebene, finanzielle Hilfen etc, klickt hier. «<
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Speitkamp,
angesichts der aktuellen Situation befinden wir uns gesamtgesellschaftlich im Ausnahmezustand. Jedoch gibt es rechtliche, politische und ökonomische Rahmenbedingungen, die Studierende spezifisch betreffen, und gleichzeitig sind — ebenso wie unsere Lebensrealitäten — akute Probleme der Studierenden sehr vielfältig.
In Ihren bisherigen Verkündungen vermissen wir bislang einen sensibleren Umgang mit den speziellen Sorgen und Problemen der Studierenden an der Bauhaus-Universität Weimar und möchten hiermit auf Ihren Appell “Jetzt erst recht” reagieren.
Seit der Kultusministerkonferenz steht fest, dass das Sommersemester stattfinden wird. Allerdings sind die angekündigten klaren Leitlinien noch nicht herausgearbeitet, und wir wünschen uns die Berücksichtigung der Studierendeninteressen und klare Vermeidung von Nachteilen für unsere akademische Ausbildung. Dies wird aus unserer Sicht durch ein kreatives, solidarisches, neutrales Semester auf Bundesebene gewährleistet. Wer am digitalen Studium teilnehmen kann und will, wer Abschlussarbeiten schreiben kann und will, wer über die für ein Studium notwendigen Finanzen und Infrastruktur verfügt, soll dadurch auf keinen Fall benachteiligt werden. Wem dies jedoch nicht möglich ist, dem* oder der* darf durch die derzeit noch in Kraft stehenden Regularien (z.B. Regelstudienzeit, Langzeitgebühren, etc.) kein weiterer Nachteil entstehen. Wir benötigen eine Lösung ohne bürokratischen Aufwand und individuelle Fallprüfungen oder Kontrollen.
Wir plädieren daher für ein kreatives, solidarisches, neutrales Semester, wie von Studierendenorganisationen in ganz Deutschland gefordert: https://solidarsemester.de/
Dieses muss an bestimmte rechtlich gesicherte Rahmenbedingungen geknüpft sein, um den Studierenden baldmöglichst zumindest eine kleine Sicherheit zu geben. Hierbei verweisen wir auch besonders auf Sicherheiten für ausländische Studierende, die in dieser Situation von ihren Heimatländern nicht zurückgeflogen werden. Jegliche Hilfen von Seiten der Regierung werden für sie nicht in gleichen Maßen greifen wie für deutsche Staatsbürger*innen. Sie sind auf Einladung der Universität hierhergekommen, weswegen wir uns ihnen in dieser Situation besonders solidarisch verpflichtet sehen müssen.
In diesen Angelegenheiten hoffen wir auf Ihre Unterstützung bei der Umsetzung der nötigsten Forderungen. Diese müssen auch durch die Universitätsleitungen an die jeweiligen Ministerien auf Landes- und Bundesebene getragen werden. Wir bitten Sie darum, sich in dieser Situation mit Studierenden und prekär Beschäftigten an Ihrer Institution solidarisch zu zeigen und die Forderungen aktiv zu unterstützen! Außerdem möchten wir Sie darum bitten, sich in besonderem Maße für eine Lösung auf Bundes- bzw. Länderebene einzusetzen, um einheitliche und faire Verhältnisse in Thüringen und Deutschland zu erzielen.
Um unser Anliegen zu unterstreichen, möchten wir Ihnen nochmals detaillierter darlegen, welche besonderen Situationen Studierende gerade durchleben.
1. Finanzielle Unsicherheit
- Zwei Drittel der Studierenden, inklusive Internationals, arbeiten neben ihrem Studiumin meist prekären Mini- oder Midijobs, die gerade massiv wegbrechen. Soforthilfen der Regierung berücksichtigen sie aufgrund des Studierendenstatus nicht, viele befinden sich jetzt gerade in einer akuten Notsituation. — Viele Hiwis verlieren gerade ihre Verträge an den Universitäten, oder erhalten keinen Lohn, da sie ihren Arbeiten, z.B. in Laboren, nicht nachkommen können.
- Für Wohngeld verdienen Studierende zu wenig, da sie häufig unter der offiziellen Armutsgrenze leben, bzw. können sie erst einen Antrag stellen, wenn sie nicht berechtigt sind, BAföG zu beantragen.
- Auch Eltern sind durch Einkommenseinbußen teils nicht mehr in der Lage, ihrer Unterhaltspflicht nachzukommen.
- Mietschulden werden durch die Möglichkeit zur Stundung nicht aufgelöst, sondern akkumulieren sich.
- Internationals, die sich jetzt um die Verlängerung ihres Visums kümmern müssen, geraten in Probleme: Die 10.000 Euro die für ein Visum vorgewiesen werden müssen, werden gerade häufig aufgebraucht um den Jobverlust auszugleichen, oder die Inflation im Heimatland devaluiert die Sparbeträge.
- Studierende mit Kindern müssen sich gleichzeitig noch um diese kümmern und können ggf. nicht mehr arbeiten, geschweige denn studieren.
2. Gesundheitliche Unsicherheit
- Auch jüngere Studierende können Teil der Risikogruppe sein und haben vielleicht größere Hemmungen, sofort zurück in die Werkstätten oder Einrichtungen zu gehen, sofern diese wieder geöffnet werden.
- Studierende werden selbst erkranken oder auch ihre Freund*innen und Familie; sowie Überträger*innen sein.
- Die psychische Belastung ist hoch: Für viele Studierende ist es die erste Krise, die sie bewusst erleben; für Internationals, die Kredite aufgenommen haben, in Deutschland “eingeschlossen” sind, ohne Möglichkeit in ihre Heimatländer zu fliegen, geschweige denn von ihren Regierungen ausgeflogen zu werden, ist der psychische Druck enorm.
- Studierende leben zudem meist in Wohngemeinschaften oder Wohnheimen mit vielen Menschen auf engem Raum zusammen — auch mit Menschen, die im Gesundheitssystem oder systemrelevanten Berufen arbeiten und besonders hohem Infektionsrisiko ausgesetzt sind / in Quarantäne sind / der Risikogruppe angehören — dies steigert Unsicherheitsgefühle.
3. Digitale Lehre
- Präsenzlehre ohne entsprechende Konzepte ins Digitale zu übertragen, ist pädagogisch nicht sinnvoll.
- Studierende wie Professor*innen müssen digitale Kompetenzen noch lernen — ist dies in diesem verkürzten Semester möglich? Wie lange würde es dauern, bis das Know-How vorhanden ist?
- Sind die Programme sicher und der Datenschutz zuverlässig?
- Was passiert, wenn die Bemühungen nicht aufgehen, und die Studierenden ihr Online-Studium aufgeben?
- Werkstätten und Arbeitsräume können nicht digital ersetzt werden.
- Freie Projekte in Isolation anzubieten, kann nur eine Lösung sein, wenn zusätzlich freie Projekte in erneuten regulären Semestern ermöglicht werden, um Studierenden die Chance zu geben, ihre freien Projektideen im Rahmen größerer Umsetzungsmöglichkeiten zu realisieren.
- Viele Studierende verfügen nicht über die Mittel, ihr Studium zu Hause zu organisieren: Das betrifft vor allem Räumlichkeiten, Material, Geräte, Programme, Maschinen und Werkzeuge, die sich in den geschlossenen Studios, Ateliers, Werkstätten und Laboren der Universität befinden. Genauso verfügen längst nicht alle Studierenden über eigene Computer und (stabiles) Internet. Somit kann gleichgestelltes Arbeiten nicht sichergestellt werden.
4. Regelhaftigkeit des Bachelor- und Mastersystems
- Wer bereits zwei Urlaubssemester genommen hat, kann kein drittes Urlaubssemester nehmen.
- Langzeitstudiengebühren drohen im Falle der regulären Zählung des Semesters, ohne dass das Semester gesichert gleichberechtigt wahrgenommen werden kann.
- Für Aktivitäten im Zuge der Corona-Krise (Ehrenamt, Unterstützung, etc.) sollte es curriculare Anerkennungen geben.
Ohne die Regelstudienzeit und die Konsequenzen ihrer Überschreitung in Form finanzieller Auswirkungen wäre ein digitales “Jetzterstrecht-Semester” für alle eine mögliche Lösung: Gäbe es diese Regeln nicht, müssten wir uns wohl auch nicht in diesem Brief an Sie wenden, sondern würden es schlichtweg begrüßen, dass Sie die Digitalisierung der Universität vorantreiben.
Auch wenn das Sommersemester 2020 nicht als reguläres Semester in Zeugnissen, Studienverlauf etc. erscheinen würde, könnten Punkte, die Studierende für digitales Lernen erhalten, im nächsten Semester mit angerechnet werden, da es keinen Höchstwert für anrechenbare ECTS innerhalb eines Semesters gibt. Praktisches Arbeiten zu bewerten, ist aufgrund der oben dargestellten unterschiedlichen Zugänge zu den Mitteln dafür höchst problematisch.
Wir brauchen juristischen Schutz gegen noch größere langfristige Nachteile: Wegen der oben dargelegten Beeinträchtigungen durch zusätzliche Belastungen, dem fehlenden Zugang zu universitärer Infrastruktur und den daraus resultierenden Ungleichheiten in Bezug auf Möglichkeiten des Studiums zu Hause fordern wir:
Das Semester darf auf unseren Studienbescheinigungen offiziell weder als Fach- noch als Urlaubssemester gewertet werden, um uns Studierende angesichts der spezifischen Herausforderungen größtmöglichste Flexibilität auf dem Weg zum Erwerb unserer Abschlüsse zu gewährleisten. Ein Studium wird nicht nach einer bestimmten Semesterzahl, sondern nach Erwerb der erforderlichen Leistungspunkte und einer Abschlussarbeit abgeschlossen. Daher wird es weiterhin möglich sein, dass Studierende, die unter der jetzigen Situation dazu in der Lage sind und ECTS erwerben oder eine Abschlussarbeit einreichen möchten, dies ohne Nachteile erreichen können. ECTS können auf vorherige oder nachfolgende Semester angerechnet werden und auch Abschlussarbeiten mit Unterstützung der Betreuer*innen fertig gestellt.
Wegen der finanziellen Situation ist absehbar, dass ein Teil der Studierenden ihr Studium abbrechen muss — diese Zahlen könnten jedoch mit juristischem Schutz und Solidarität von Seiten der Universitäten gegebenenfalls verringert werden.Ebenso wichtig sind staatliche finanzielle Hilfen, die denjenigen, deren Unterstützung von Seiten der Eltern, deren Selbstständigkeit oder prekäre Jobs weggebrochen sind, zumindest weiterhin etwas Stabilität gewährleisten. Da die meisten Studierenden ohnehin unter der offiziellen Armutsgrenze leben, wäre es das mindeste, Grundversorgung zu gewährleisten, um nicht den Wegbruch einer akademischen Generation zu riskieren.
Ministerien und Universitäten müssten ihr Bestes tun, damit nicht diejenigen, die am meisten dafür kämpfen, studieren zu können, die Ersten sind, die die Universitäten verlassen müssen.
Wir erwarten von Ihnen, dass Sie Verantwortung für die Studierendenschaft an Ihrer Institution übernehmen, und sich solidarisch für Ihre Studierende und deren Belange einsetzen. Wir sind für eine Absicherung gegen Nachteile, die aus der Regelhaftigkeit des Studiensystems resultieren, und fordern die Universität mit Dringlichkeit, besondere Unterstützung der internationalen Studierenden in finanziellen- und Visa-Angelegenheiten zu gewährleisten.
Wir hoffen auf Ihre Unterstützung für ein kreatives, solidarisches, neutrales Semester und verbleiben mit besten Grüßen.
Pol.B
Referat für politische Bildung
des Studierendenkonvent der Bauhaus-Universität Weimar
Mitzeichner*innen:
Studierendenkonvent der Bauhaus-Universität Weimar
Referat Bauhaus Internationals
Referat Queer YMR
Initiativen des StuKo:
Der Laden Weimar e.V.
Maschinenraum
EJECT — Zeitschrift für Medienkultur
marke.6
Raumstation
Fachschaftsrat Kunst und Gestaltung